Ausgleichung

Mit der Ausgleichung soll die Gleichbehandlung der Nachkommen des Erblassers erreicht werden, indem die diesen ausgerichteten lebzeitigen Zuwendungen bei der Erbteilung berücksichtigt und den jeweiligen Erben angerechnet werden. Die begünstigten Erben haben die Wahl, ob sie die Vermögenswerte wieder zurückgeben (Realkollation) oder ob sie diese behalten und sich deren Wert anrechnen lassen wollen (Idealkollation).

a) Ausgleichung und Herabsetzung

Der Nachlass des Verstorbenen ist das Resultat einer Vermögensentwicklung zwischen Geburt und Tod. Es stellt sich die Frage, welche lebzeitigen Veränderungen des Vermögens und somit mittelbar des Nachlasses bei der Verteilung des noch vorhandenen Nachlasses bzw. Vermögens zu veranschlagen sind. Sowohl Ausgleichung als auch (Hinzurechnung und) Herabsetzung befassen sich daher mit der erbrechtlichen Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers. Bei Institute vermitteln Ansprüche auf eine bestimmte Werthaltigkeit des Nachlasses.

b) Ausgleichung

Die Ausgleichung bezweckt die Verwirklichung einer Gleichheits- oder Gerechtigkeitsidee im Sinne einer Gleichbehandlung der Nachkommen des Erblassers bzw. seiner Kinder (ZGB 626 II) und ihrer Stämme (ZGB 627). Die Befreiung von der gesetzlichen Ausgleichungspflicht setzt eine ausdrückliche Verfügung voraus (ZGB 626 II).

c) Herabsetzung

Die Herabsetzung bezweckt den Pflichtteilsschutz und damit den Schutz der Verwandtenerbfolge, einschliesslich des Schutzes des überlebenden Ehegatten. Zur Ausgleichung steht die Herabsetzung in einem Subsidiaritätsverhältnis.

d) Rückforderungsanspruch

Derjenige, der vom Erblasser eine Sache geschenkt bekommt, erwirbt wirksam Eigentum daran. Die ausgleichungsrechtliche Einwerfungspflicht (ZGB 628 I) und die herabsetzungsrechtliche Rückleistungspflicht (ZGB 528 I) sind daher nur obligatorischer Natur. Die h.L. spricht von der Doppelnatur der ausgleichungspflichtigen Zuwendungen (Schenkung als lebzeitige Zuwendung und deren erbrechtliche Berücksichtigung).

e) Ausgleichungsmechanik

In einem ersten Schritt werden die ausgleichungspflichtigen Zuwendungen entweder tatsächlich durch Einwerfung in natura (Naturalausgleichung) oder nur rechnerisch durch Anrechnung dem Wert nach (Wertausgleichung) zum reinen Nachlass hinzugefügt (ZGB 628). Daraus resultiert die sog. Teilungsmasse.

In einem zweiten Schritt wird diese Teilungsmasse anhand der Erbquoten auf die Berechtigten verteilt. Die Ausgleichung kann zudem dadurch erfolgen, dass der Ausgleichungsberechtigte der Teilungsmasse Gegenstände entnimmt, deren Wert demjenigen der lebzeitigen Zuwendungen entspricht, um in der Folge die so reduzierte Teilungsmasse zu verteilen. Das ist bei sog. «Mehrempfängen» jedoch nicht möglich.

f) Ausgleichungsarten

Im Vordergrund stehen folgende Ausgleichungsarten:

  • Gewillkürte Ausgleichung (ZGB 626 I): Sie betrifft die gesetzlichen Erben. Diese haben eine lebzeitige Zuwendung des Erblassers nur bei tatsächlicher Anordnung auszugleichen (ZGB 626 I).
  • Gesetzliche Ausgleichung (ZGB 626 II): Sie betrifft die Nachkommen. Diese haben eine lebzeitige Zuwendung auch ohne Anordnung auszugleichen. Die Ausgleichungspflicht entfällt nur bei deren ausdrücklichen Wegbedingung durch den Erblasser (ZGB 626 II).

g) Ausgleichungspflicht der Erben

Das Gesetz bezeichnet als Ausgleichsschuldner die gesetzlichen Erben (ZGB 626 I) und die Nachkommen (ZGB 626 II).

Der Erblasser kann die Ausgleichung auch zulasten/zugunsten von Erben verfügen, welche nicht zu seinen gesetzlichen Erben zählen (sog. uneigentliche Ausgleichung).

h) Ehegatte

Der überlebende Ehegatte des Erblassers zählt zu seinen gesetzlichen Erben (ZGB 462). Erbt der überlebende Ehegatte neben Nachkommen, ist er für eine vom Erblasser erhaltene lebzeitige Zuwendung nur ausgleichungspflichtig, wenn dieser die Ausgleichung i.S.v. ZGB 626 I angeordnet hat. Dennoch ist der Ehegatte gegenüber den Nachkommen Gläubiger der Ausgleichung i.S.v. ZGB 626 II auch ohne Anordnung (BGE 77 II 228 ff.). Ist der überlebende Ehegatte nicht Elter des Ausgleichungsschuldners, kann dies zu stossenden Ergebnissen führen.

i) Gesetzliches Erbrecht

Es kommt nur insoweit zur Ausgleichung, als es auch zur gesetzlichen Erbfolge kommt. Verändert der Erblasser dagegen in einer Verfügung von Todes wegen die gesetzlichen Erbteile der gesetzlichen Erben, kommt es nur dann zur Ausgleichung, wenn er diese angeordnet hat. Das ist für die Ausgleichungspflicht unter Nachkommen bedeutsam (es wird z.B. ein Nachkomme zugunsten des anderen auf den Pflichtteil gesetzt), da es diesfalls nicht mehr zur automatischen Ausgleichung nach ZGB 626 II kommt, sondern es dazu vielmehr einer Anordnung bedarf.

j) Ausgleichung bei Wegfallen von Erben

Ausgleichungsschuldner/-gläubiger können nur Erben sein. Die Ausgleichungspflicht besteht nicht, wenn der Empfänger der lebzeitigen Zuwendung nicht Erbe wird oder es nicht bleibt (Vorversterben ZGB 542, Ausschlagung ZGB 566 ff., Enterbung ZGB 477, Erbverzicht ZGB 495 und Erbunwürdigkeit ZGB 540).

ZGB 627 regelt die sog. «Ausgleichung in Vertretung», bei welcher der Empfänger der lebzeitigen Zuwendung der Ausgleichungspflicht entgeht und an seiner Stelle dessen Erben (ZGB 627 I) oder Nachkommen (ZGB 627 II) ausgleichungspflichtig werden und zwar auch dann, wenn diese die Zuwendung nicht empfangen haben (ZGB 627 II).

k) Ausgleichungspflichtige Zuwendung

Ausgleichungspflichtig sind ganz oder teilweise unentgeltliche Zuwendungen wie Schenkungen (nach h.L. und Praxis (BGE 131 III 55, 118 II 287 und 76 II 199)), Heiratsgut (Mitgift für Tochter; ZGB 626 II), Ausstattung (Zuwendung an Sohne bei Verehelichung; ZGB 626 II), Schulderlass (ZGB 626 II) oder Vermögensabtretung (ZGB 626 II), als Abtretung ganzer oder einzelner bedeutender Vermögenswerte (BGE 84 II 349). Unbestritten ist, dass es sich bei den ausgleichungspflichtigen Zuwendungen, um solche mit einer gewissen Bedeutung, d.h. um «Grosszuwendungen» handeln muss. Übliche Gelegenheitsgeschenke sind unbeachtlich (ZGB 632).

l) Ausstattungs- oder Luxuszuwendung

Umstritten ist, ob der Ausgleichungspflicht alle Grosszuwendungen unterstehen oder ob diesen zudem Ausstattungscharakter zukommen muss. Das BGer und ein Teil der Lehre verlangen einen «gewissen Ausstattungscharakter», indem die Zuwendung den Zweck der Existenzbegründung, -sicherung oder -verbesserung zugunsten des Empfängers (BGE 77 II 38 und 76 II 196) haben muss (sog. Ausstattungszuwendung). Bei der Zuwendung von Grundstücken mit einem erheblichen Wert wird das grundsätzlich bejaht (BGE 116 II 673 f.). Nach anderer Auffassung unterliegen Grosszuwendungen auch ohne Ausstattungscharakter immer der Ausgleichung (sog. Luxuszuwendung).

m) Erziehungskosten

Auslagen des Erblassers für die Erziehung und Ausbildung einzelner Kinder sind vorbehältlich eines anderen erblasserischen Willens nur dann auszugleichen, wenn sie das übliche Mass übersteigen (ZGB 631 I). Nach h.L. sind Auslagen für Hochschulstudien, welche in Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht (ZGB 277) erfolgt sind, nicht auszugleichen.

n) Mehrempfang

ZGB 629 I legt fest, dass ein Überschuss einer lebzeitigen Zuwendung, welche den Erbanteil des Empfängers übersteigt, nicht auszugleichen ist, wenn nachweisbar der Erblasser den Empfänger damit begünstigen wollte. ZGB 629 II enthält eine Vermutung der Begünstigung. Umstritten ist, wie der relevante Mehrempfang rechnerisch ermittelt wird, d.h. ob Grundlage der Berechnung der reine Nachlass (h.L.) oder die Teilungsmasse (andere Auffassung) ist.

o) Real- oder Idealkollation

Die Empfänger der ausgleichungspflichtigen Zuwendung sind die Ausgleichungsschuldner und haben im Sinne eines Gestaltungsrechts die Wahl (ZGB 628 I), die Ausgleichung entweder

  • in Natura (Realkollation) oder
  • dem Wert nach (Idealkollation) vorzunehmen (ZGB 628 I). Ausgleichungswert ist der Wert der Zuwendung zur Zeit des Erbganges bzw. Erbgangseröffnung, d.h. des Todes des Erblassers. Es gilt das Verkehrswertprinzip.

p) Gemischte Schenkungen

Bei «gemischten Schenkungen» ist eine entgeltliche Zuwendung mit einer unentgeltlichen ver-schmolzen (BGE 82 II 433). Eine solche liegt gemäss Pra 80/1991 Nr. 159, S. 720 vor, wenn:

  • bei Vertragsabschluss der Gegenstand, welcher vertraglich mit einer Gegenleistung ausgetauscht wird, diese an Wert übersteigt (objektives Element)
  • die Parteien es wissen und auf diese Weise eine Zuwendung für die begünstigte Person vereinbaren (subjektives Element)

q) Ausgleichung gemischter Schenkungen

Im Erbgang ist nur der unentgeltliche Teil der gemischten Schenkung zu veranschlagen. Wertveränderungen zwischen Zuwendung und Erbgangseröffnung sind anhand der sog. Quoten oder Proportionalmethode zu berücksichtigen (BGE 98 II 352 ff.). Für die Ermittlung des Ausgleichswertes wird auf das bei Ausrichtung der Zuwendung bestehende, in einer Quote ausgedrückte Verhältnis zwischen dem entgeltlichen und unentgeltlichen Teil abgestellt. Wertveränderungen werden anhand dieser Quote berücksichtigt, so dass sie sich gleichmässig auf den entgeltlichen und den unentgeltlichen Teil der Zuwendung auswirken.

r) Ausgleichungsanordnung

Ausgleichungsrecht ist dispositives Recht. Der Erblasser kann daher Anordnungen treffen, welche

  • die Ausgleichungspflicht anordnen oder
  • die Ausgleichungspflicht wegbedingen (sog. Ausgleichungsdispens)

Diese Anordnungen sind inhaltlich Verfügungen von Todes wegen und können testamentarisch oder erbvertraglich erfolgen. Werden sie gleichzeitig mit der lebzeitigen Zuwendung getroffen, unterliegen sie nach h.L. und Praxis nicht den Formvorschriften für Verfügungen von Todes wegen. Ein nachträglicher Dispens von einer angeordneten Ausgleichungspflicht ist zulässig. Eine nachträgliche positive Anordnung einer Ausgleichungspflicht muss dagegen regelmässig bei der Zuwendung selbst geschehen. Die Form ist umstritten.